Dahoam im Arberland
 

Anita Schober – PSNV Regen

Über die Organisation: Schlimme Ereignisse treffen einen meist unvorbereitet. Das Team der Psychosozialen Notfallversorgung des Bayerischen Roten Kreuzes (Kreisverband Regen) hilft seit fünfeinhalb Jahren genau bei solchen akuten Not- und Unglücksfällen ehrenamtlich und unterstützt sowohl die Betroffenen als auch die Einsatzkräfte bei der Bewältigung des Geschehenen. Aktuell betreuen sechs Engagierte ein Gebiet von Hinterviechtach bis Bayerisch Eisenstein. Mehr Infos unter: Psychosoziale Notfallversorgung - BRK KV Regen (brk-regen.de)

Im Ehrenamt trifft nicht nur Jung auf Alt – auch Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Talenten, kulturellen Wurzeln und sozialen Hintergründen finden zusammen und machen gemeinsam unser schönes ARBERLAND ein Stück lebens- und liebenswerter. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Engagement-Projekten und -Bereichen wider: Vom Generationengärtner, über die Familienpatin, den Platzwart und Popmusikbeauftragten bis hin zum Klinikclown – die Liste an Möglichkeiten ist lang, die Welt positiv mit zu verändern. Damit auch im ARBERLAND jeder, der will, das Ehrenamt findet, das zu seinen individuellen Interessen, Fähigkeiten und Zeitressourcen passt – dafür sorgt unter anderem Ehrenamtsförderin Maria Schneider vom Landratsamt Regen. „Das Ehrenamt im Landkreis ist vielfältig – darauf sind wir stolz! Und damit das auch so bleibt, müssen wir diese Besonderheit nicht nur feiern, sondern auch fördern. Um andere zu inspirieren und zu motivieren, sich – in welcher Form auch immer – ebenfalls zu engagieren, möchten wir die Geschichten einiger unserer Ehrenamtler erzählen.“

 

55 Einsätze, 183 betreute Personen, 337 Einsatzstunden und 2874 gefahrene Kilometer – die Bilanz allein im letzten Jahr. Das Team der Psychosozialen Notfallversorgung in Regen ist viel unterwegs, um sich um die Sorte von Wunden zu kümmern, die zunächst niemand sieht, um Unfallverursachern ebenso zur Seite zu stehen wie Ersthelfern oder Angehörigen von Opfern oder Vermissten. Maßgeblich am Aufbau der Organisation vor fünfeinhalb Jahren in Regen beteiligt und dementsprechend seit Anfang an dabei ist Anita Schober aus Ruhmannsfelden.

Aus diesem großen Pool an Ehrenämtern im Rettungs-Bereich, haben Sie sich für die Psychosoziale Notfallversorgung entschieden. Wodurch wurde Ihr Interesse für diesen Bereich geweckt?

Schober: Tatsächlich durch eine Art Schlüsselerlebnis mit der Bergwacht – meinem zweiten, inzwischen 30-jährigen Ehrenamt – vor vielen Jahren. Ehrlich gesagt, hatte ich immer irgendwie Angst vor dem Thema Tod. Tote zu sehen, über den Tod zu reden. Damals fanden wir mitten im Wald einen Mann, der leider bereits verstorben war, und seine verzweifelte Ehefrau. Ich wurde von meinen Kollegen ein bisschen nach vorne geschubst – „Schoberin, du kannst des scho.“ Aber noch während ich versucht habe, ohne irgendwelche Kenntnisse für die Frau da zu sein, merkte ich, dass ich genau dadurch den nötigen Abstand verlor, zu tief hineinging in die Gespräche. Dass ich nicht mehr als jemand wahrgenommen wurde, der gerade seinen Job macht, sondern eigentlich schon beinahe als Freundin. Danach war mir klar: Ich kann zwar jeden Bruch schienen und Herzen reanimieren, aber wenn ich mich künftig weiter um Hilfesuchende dieser Art kümmern möchte – und das wollte ich definitiv –, brauchte ich schlichtweg mehr Hintergrundwissen. Deshalb habe ich mich vor 13 Jahren für die PSNV-Ausbildung entschieden und es nie bereut. Im Gegenteil – von den vielen Ausbildungen, die ich bisher gemacht habe, war die zur PSNVlerin sogar definitiv die beste!

Ist diese Ausbildung eine Voraussetzung dafür, Teil Ihres Teams werden zu können?

Schober: Ja. Natürlich sind wir froh über jeden, der uns aktiv unterstützen will, aber die Ausbildung und vorherige Kennenlerngespräche mit unserem Teamleiter sind Pflicht. Diese „Vorstufe“ dient uns als Sicherheit, gleichzeitig aber auch Interessierten – die mindestens 23 Jahre alt sein müssen – als eine Art Testlauf für dieses Ehrenamt. Innerhalb der sechs Ausbildungswochenenden – mit Prüfungswochenende – versuchen wir, ein möglichst realistisches Bild davon zu vermitteln, was einen später erwarten wird – sei es durch Rollenspiele, Besuche im Krankenhaus, Gesprächen mit Bestattern usw. Eine intensive Zeit, aber danach kristallisiert sich im Prinzip immer heraus, ob man für dieses Ehrenamt wirklich geeignet ist. Falls ja, folgen im Anschluss noch zehn Hospitationen bei einem bereits erfahrenen PSNVler – um weiter an Sicherheit zu gewinnen und um sich das ein oder andere abzuschauen. Das heißt, bei uns geht jeder mit Rückendeckung und guter Vorbereitung in den ersten Einsatz. Auch danach ist man nie ganz auf sich allein gestellt – wir sind immer in Zweierteams unterwegs. So kann der eine beispielsweise Trost spenden, während der andere im Hintergrund bei organisatorischen Angelegenheiten unter die Arme greift. Je nachdem, wer unsere Hilfe benötigt, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, findet mal das eine und mal das andere Teammitglied einen besseren Zugang. Im Moment decken wir zu sechst den ganzen Landkreis ab – fünf Frauen und ein Mann. Wir könnten also durchaus weitere männliche Unterstützung gebrauchen.

In vielen Ehrenämtern wird der Teamgedanke großgeschrieben, bei Ihnen aber ganz besonders…

Schober: Oh ja, wir müssen uns gegenseitig zu 100 Prozent vertrauen und uns aufeinander verlassen können. Denn was man nicht vergessen darf: Aufgrund des Datenschutzes dürfen wir uns ja nur gegenseitig – und nicht mal den engsten Familienangehörigen – erzählen, was wir bei den Einsätzen erleben. Wir stützen uns dementsprechend nicht nur während der Einsätze, sondern sind auch im Anschluss daran füreinander da. Um das Erlebte verarbeiten und einordnen zu können, sitzen wir uns – ganz egal zu welcher Tages- und Nachtzeit – nach jedem Einsatz auf einen Ratsch zusammen und gehen alles nochmal durch. Was lief gut, was können wir nächstes Mal besser machen. Da sind wir sehr ehrlich miteinander, denn nur so können wir wachsen. Manchmal klopfen wir uns dann auf die Schulter, manchmal nehmen wir uns in den Arm. Ich kann mir jedenfalls immer sicher sein, dass die anderen jederzeit ein offenes Ohr für mich haben, wir achtsam miteinander umgehen. Auf uns selbst und aufeinander aufpassen. Wenn wir zum Beispiel von der Leitstelle alarmiert werden und erfahren, dass einer von uns die Person kennt, der etwas Schlimmes widerfahren ist, dann springt jemand anderer aus dem Team ein. Gleiches gilt für Tage, an denen es einem selbst nicht so gut geht. Das hat bisher immer geklappt – wir mussten tatsächlich noch nie einen Einsatz absagen.

In Ihrem Ehrenamt werden Sie mit vielen Schicksalen konfrontiert, was bestimmt nicht immer leicht ist. Dennoch haben Sie nie überlegt, damit aufzuhören, oder?

Schober: Nein, nie. Wir haben das Privileg, uns für diejenigen Zeit nehmen zu können, die ansonsten manchmal in der Hektik des Geschehens vergessen werden, deren Bedürfnisse in den Hintergrund geraten. Dadurch, dass es für uns – auch aus Pietätsgründen – nicht so einfach ist, über unsere ehrenamtliche Arbeit öffentlich zu sprechen, dafür Werbung zu machen, wissen viele noch immer nicht, dass es uns gibt oder wofür wir eigentlich zuständig sind. Wenn wir aber dann aus Einsätzen rausgehen, hören wir, wie gut und wichtig es war, dass wir in dieser akuten Phase der Not präsent waren. Jahre später erinnern sich Betroffene vielleicht nicht mehr an unsere Gesichter oder Namen, aber daran, dass jemand am vielleicht schlimmsten Tag ihres Lebens an ihrer Seite war. Wir dürfen Erste Hilfe für die Seele leisten und dafür sind wir dankbar.

 

>> Mehr Informationen zum Unterstützungsangebot der Ehrenamtsförderung ARBERLAND und die Engagementmöglichkeiten in der Region: www.ehrenamt-im-arberland.de

 

Das Regionalmanagementprojekt „Ehrenamtsförderung ARBERLAND“ wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.