Dahoam im Arberland
 

Franz Winklmeier - Bergwacht Viechtach

Über den Verein: Seit Gründung der Bereitschaft im Jahr 1937 ist es die Aufgabe der 21 aktiven Bergmänner und -frauen, Wanderern, Ski- und Schlittenfahrern und Kletterern bei Notfällen im unwegsamen Gelände zu helfen. Das Einsatzgebiet der Ehrenamtlichen erstreckt sich vom Höhenzug Wettzell, Wiesing über Viechtach mit dem Regental bis nach St. Englmar. Im Winter werden außerdem mehrere Skilifte in St. Englmar und am Pröller betreut.

Hilfe in der Not, Begleitung sozialer Einrichtungen, Bewahrung des gesellschaftlichen Miteinanders, Kulturförderung – die Liste des freiwilligen Engagements und der Menschen dahinter ist lang.

Die projektbegleitende Kurzumfrage „Ehrenamt im ARBERLAND in Zeiten von Corona“ hat hervorgebracht, wie der anhaltende Lockdown von heimischen Vereinsmitgliedern erlebt wird: Der Druck durch brachliegende Vereinstätigkeiten und fehlende Einnahmen steigt und die digitale Kommunikation ist für manche eher Problem als Lösung. Die wachsende Angst vor der Post-Pandemie und das Ausschauhalten nach einem Silberstreif am Horizont gehen Hand in Hand. Dennoch besteht Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Man arbeitet mit ungebrochenem Durchhaltevermögen, Einfallsreichtum und Flexibilität. „Wir möchten die Geschichten einiger unserer Ehrenamtler*innen erzählen und damit auch andere motivieren, dabeizubleiben und ihr unschätzbares Wirken in der Gesellschaft in schweren Zeiten nicht aufzugeben“, erklärt Schneider.

„Teamspirit, in der Not schnell zur Stelle sein und abseits des Einsatzortes Spaß miteinander haben – mehr könnte ich mir nicht wünschen“

Die Bergwacht Viechtach hat einen neuen Bereitschaftsleiter. Mitte April 2021 wurde Franz Winklmeier zum neuen Chef der Rettungsorganisation gewählt. Bürgerlich ist der 29-Jährige  Baumaschinenmechaniker bei H&T Bau in Ruhmannsfelden und trat vor drei Jahren in die Bergwacht ein. Im Februar 2021 legte er seine letzte Prüfung als aktive Rettungskraft ab. Aktuell bereitet er im Hauptquartier, der Dr. Zengleinstaße 14, die erneute Öffnung des Vereinslebens vor...

Lieber Herr Winklmeier, Glückwunsch nachträglich zum neuen Amt! Sprechen wir erst einmal über das vergangene Jahr. Laut Bergwacht Bayern haben die Rettungskräfte im Freistaat während des Coronasommers mit 3.482 Einsätzen (2019: 3.417) einen Spitzenwert erreicht. Deckt sich diese Statistik mit Ihrer Erfahrung?

Winklmeier: Ja, das tut sie. Durch die Reisebeschränkungen und vorübergehende Schließung von Sporteinrichtungen haben definitiv mehr Menschen das Mittelgebirge als Urlaubsziel entdeckt und natürlich waren auch unsere Einheimischen – in Ermangelung so mancher anderer Aktivität – fleißig beim Outdoorsport.

Auffällig fand ich, wie oft wir E-Bike-Fahrern zur Hilfe kommen mussten. Erst letzte Woche hatten wir hier wieder einen Todesfall. Herzinfarkt. Meiner Ansicht nach liegt es daran, dass vor allem ältere Menschen ihre körperliche Leistungsfähigkeit überschätzen und dann mit dem „Rückenwind aus der Steckdose“ gleich regelrechte Gewaltstrecken bewältigen möchten. Nun mag E-Biken komfortabler sein als Mountainbiken, anstrengen muss man sich aber doch. Wenn dann die Sonne vom Himmel knallt, die Trinkflasche leer ist und eventuell auch noch starkes Übergewicht vorliegt, gerät das Herz-Kreislaufsystem unter Hochdruck. Wir wollen den E-Bikern aber nicht unrecht tun: Genauso häufig hatten wir Einsätze mit Forstarbeitern, die die Gunst der Corona-Stunde nutzen wollten, um ihren Wald aufzuräumen – und sich dabei zu viel zugemutet haben.

Ungünstig war es allerdings doch, dass wir bei so viel Trubel über weite Strecken keine Übungen  durchführen konnten. Die erste Übung 2021 fand vergangenen Dienstag statt. Ende Mai. Und man möchte doch, dass im Ernstfall jeder Handgriff sitzt. Es leidet dann natürlich auch der gemütliche Teil des Vereinslebens. Sonst hatten wir jeden ersten Donnerstag im Monat einen Hüttenabend auf dem Predigtstuhl oder verabredeten uns spontan zum Klettern oder Mountainbiken. Solche Zusammenkünfte rücken erst jetzt mit flächendeckenden Impfungen, Schnelltests Genesungsbescheinigungen und detaillierten Öffnungsstrategien wieder in den Bereich des Möglichen. Das gilt auch für Versammlungen, die wir, bis auf die letzte Vorstandswahl, ausgebreitet in der Viechtacher Stadthalle, ersatzlos streichen mussten. Der Großteil der Mitglieder hatte sich mit Händen und Füßen gegen Online-Konferenzen gesträubt.

Wo kommt Ihr persönliches Engagement her?

Winklmeier: Ich war schon immer gerne in den Bergen unterwegs, sei es auf Klettersteigen oder mit dem Mountainbike. Hinzu kam – und erstaunlicherweise erzählen sehr viele Rettungskräfte  eine ähnliche Geschichte –, dass ich vor einigen Jahren den Arbeitsunfall eines Kollegen miterlebt habe. Er zog sich eine schwere Kopfverletzung zu. Ich selbst hatte keinen Plan, was zu tun war und der Krankenwagen kam und kam nicht. Auch in unwegsamem Gelände kommt es oft auf jede Sekunde an. Jedenfalls wollte ich mich nie wieder so hilflos fühlen und habe 2018 einen Schnupperabend der Viechtacher Bergwacht zur Information genutzt. Seither bin ich dabei und mache aktuell auch meinen ersten Ausbilderkurs, um anderen Menschen beim Helfen helfen zu können. Seither habe ich viel gesehen, schwere Verletzungen machen mir mittlerweile nichts mehr aus, es ist eher die Rätselhaftigkeit des Lebens, die mich in Erstaunen verletzten. Ein 86-Jähriger zum Beispiel, der die Familie den ganzen Tag über hoch in die Berge zu „seinem“ Baum gedrängt hat, und oben angekommen leblos zusammenbrach.

Wie sehen Ihre Wünsche für die Vereinszukunft aus?

Winklmeier: Zunächst wäre es mir wichtig, dass die Zahl der Anwärter:innen weiterhin steigt. Aktuell sind es vier, die wir gleich nach der Wahl via Social Media und durch persönliche Ansprache akquirieren konnten. Die Basis- und Grundausbildung für aktive Einsatzkräfte beträgt  meiner persönlichen Einschätzung nach Minimum zwei Jahre und ist in Theorie und Praxis schon anspruchsvoll. Das lässt sich schwer schönreden und wirkt abschreckend auf alle, die am liebsten gleich vom Fleck weg loslegen möchten. Da muss man dann als Team zusammenhalten und das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Spaß gehört unbedingt dazu. Als neuer Bereitschaftsleiter habe ich mir vorgenommen, frischen Wind in die Mannschaft zu bringen, aber auch den Generationendialog zu stärken. Unsere Alterspyramide gleicht aktuell eher einer schmal taillierten Sanduhr und dementsprechend ist es wichtig, Jung und Alt nach Corona wieder ins selbe Boot zu holen. Ich finde, das geht nur, wenn man sich persönlich sieht – und zwar nicht nur im Impfzentrum, wo wir gerade aushelfen –, wenn man gemeinsam feiern und lachen kann und auch die ein oder andere Bergtour wieder drin ist. Ich bin also guter Dinge für die nächsten Monate... am 1. Juni räumen wir unsere Hütte Markbuchen wieder auf.

 

Das Regionalmanagement-Projekt „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“ wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.