Dahoam im Arberland
 

Teresa Raith, Wolfgang Geiger und Anna Maria Pawelek - Jugendrat Viechtach

Über den Verein: Bereits seit 2016 ist der Jugendrat - bestehend aus elf auf zwei Jahre gewählten Mitgliedern im Alter von 14 bis 21 Jahren – eine feste Institution politischer Teilhabe in Viechtach. Er nimmt dem Stadtrat und der Stadtverwaltung gegenüber die Interessen der Jugendlichen wahr – durch Anträge, Anregungen, Anfragen, Empfehlungen und Stellungnahmen. Dies gilt vor allem für Bildungs-, Sozial- und Umweltfragen, aber auch für sonstige Themenbereiche, die jungen Menschen am Herzen und im Entscheidungsrahmen der Stadt Viechtach liegen.

Hilfe in der Not, Begleitung sozialer Einrichtungen, Bewahrung des gesellschaftlichen Miteinanders, Kulturförderung – die Liste des freiwilligen Engagements und der Menschen dahinter ist lang.

Die projektbegleitende Kurzumfrage „Ehrenamt im ARBERLAND in Zeiten von Corona“ hat hervorgebracht, wie der anhaltende Lockdown von heimischen Vereinsmitgliedern erlebt wird: Der Druck durch brachliegende Vereinstätigkeiten und fehlende Einnahmen steigt und die digitale Kommunikation ist für manche eher Problem als Lösung. Die wachsende Angst vor der Post-Pandemie und das Ausschauhalten nach einem Silberstreif am Horizont gehen Hand in Hand. Dennoch besteht Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Man arbeitet mit ungebrochenem Durchhaltevermögen, Einfallsreichtum und Flexibilität. „Wir möchten die Geschichten einiger unserer Ehrenamtler:innen erzählen und damit auch andere motivieren, dabeizubleiben und ihr unschätzbares Wirken in der Gesellschaft in schweren Zeiten nicht aufzugeben“, erklärt Ehrenamts-Ansprechpartnerin Maria Schneider vom Regionalmanagement der Kreisentwicklungsgesellschaft ARBERLAND REGio GmbH.

„Es zählt der Glaube, dass man die Welt – oder für den Anfang zumindest Viechtach – ein Stückchen lebenswerter für junge Menschen machen kann“

Das aktuelle Interview wagt den Schwenk weg von der klassischen Vereinslandschaft hin zum politischen Engagement, das sich in der Stadt Viechtach fest in Jugendhand befindet – oder zumindest aktiv von elf jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren mitgestaltet wird. Im Gespräch haben wir Teresa Raith (21), erste Jugendratssprecherin, die seit 2019 Journalistik, Strategische Kommunikation und Politwissenschaft an der Universität Passau studiert, den Realschüler und dritten Sprecher Wolfgang Geiger (17) sowie Gymnasiastin Anna Maria Pawelek (15), die als Medienbeauftragte des Gremiums verantwortlich zeichnet.

Liebe Teresa, lieber Wolfgang, liebe Anna, auf eurer Agenda stehen neben der Arbeit als Ergänzung zum Stadtrat auch Planungstreffen, verschiedene Projekte, Veranstaltungen und Events für junge Leute. Seid ihr hier – vor allem in aktueller Besetzung – während der Pandemie überhaupt zum Zug gekommen?

Anna: All unsere Treffen, übrigens viel mehr als noch zuvor, finden virtuell statt und auch Eventplanungen erfolgen auf diesem Weg. Wenn die Hygieneschutzbestimmungen, das Wetter oder irgendein anderer Faktor dann am Veranstaltungstag X nicht mitspielen, finde ich das nicht tragisch. Man disponiert um und lässt sich etwas Neues einfallen. Die Alternative, Corona-bedingt den Kopf in den Sand zu stecken, gibt es nicht. Aktuellstes Beispiel ist unser Pop-Up-Radweg mit Online-Orga, Durchführung bei Regen und dem obligatorischen Abstand zu interessierten Passant:innen. Dennoch hat die Aktion ihren Zweck erfüllt und medienwirksam auf die Mobilitätsmisere junger Menschen in Viechtach hingewiesen. Viele von uns haben sich beim Kreidemarkieren der Straßenführung überhaupt erst persönlich kennengelernt.

Teresa: Das stimmt. Grundsätzlich ist es sonst so, dass der Jugendrat direkt nach seiner Neuwahl auf Klausurtagung geht, dort Schwerpunktthemen für die kommende Periode definiert und sich in Arbeitsgruppen aufteilt. Diese „Freizeit“ musste Corona-bedingt dieses Mal entfallen. Wir leisten also bereits seit einem halben Jahr total intensive politische Arbeit mit anderen jungen Menschen, die wir im echten Leben noch nie getroffen haben. Dabei wäre ein Face-to-Face so wichtig, weil man ganz anders zusammenfindet und sich ausprobieren kann, wenn schon einmal miteinander geratscht, gelacht und gefeiert wurde.

Wolfgang: Was wir aber natürlich schon festmachen konnten, sind unsere vier Arbeitsbereiche:

Zum Ersten setzen wir uns für mehr Freiräume in Viechtach ein. Ein Beispiel ist der Treffpunkt an der Staumauer des Schwarzen Regens, der durch Lärmbeschwerden aufgefallen ist und dann vom Stadtrat mit einem nächtlichen Alkoholverbot belegt wurde. Nun gehen den Jungen aber grundsätzlich einfach Orte in der Stadt ab, wo man sich treffen und ungestört ein gute Zeit haben kann. Man meint, überall – bereits auf Sicht – nur zu stören. Eine offizielle Alternativstelle am Regen ist auf unser Betreiben hin nun  gefunden. Weitere Plätze sollen folgen.

Dann wären da die Themen Nachhaltigkeit und Mobilität, die wir aktuell durch Aktionen pro Bike, Bus und Bahn begleiten. Sehr hätte ich mich in diesem Rahmen auf eine Fahrradwerkstatt für jedermann gefreut. Allerdings waren die Inzidenzen seinerzeit noch zu hoch für Präsenz-Begegnungen.

Es geht weiter mit dem geplanten Bikepark, also einer Pumptrack für die große Mountainbike-Fangemeinde in Viechtach. Diese ist bereits beschlossene Sache und soll unterhalb des Schützenhauses entstehen. Das Thema wurde noch dem alten Jugendrat vorgestellt, wir können es nun verwirklichen – und zwar ganz tatkräftig mit Schaufel und Bagger.

Da bald wieder Wahlen anstehen, wird man im Bereich Demokratie und Gleichberechtigung künftig noch mehr von uns hören. Wir wollen junge Menschen durch diverse Aktionen über politische Themen und die Parteienlandschaft informieren und so gut es geht auf ihre ersten Kreuzchen vorbereiten.

Wo kommt Euer persönliches Engagement her?

Anna: Ich bin auch noch in anderen Vereinen aktiv, so ist es nicht. Der Jugendrat fühlt sich für mich aber noch einmal ganz besonders an, weil ich dort die Möglichkeit habe, meine Stimme laut zu machen – und dann tatsächlich auch etwas geschieht. Das politische Interesse und die entsprechenden Kenntnisse kamen bei mir erst im Laufe der Arbeit dazu. Ich finde es aber wichtig, dass junge Menschen sich für die Gestaltung ihrer Zukunft einsetzen. Weiß jemand, warum es im Umkreis  außer uns und den Kötztingern keinen anderen Jugendrat gibt?

Teresa: Nein, aber es stimmt. Ich würde sogar den Schritt gehen und größere Kommunen bzw. Landkreise generell dazu verpflichten wollen, Jugendräte einzusetzen. In der großen Politik sehen wir aktuell – ob man die „Fridays for Future“ nennen möchte oder nicht –, dass alle Entscheidungen, die getroffen werden, Zukunftsentscheidungen sind. Sie betreffen uns junge Menschen direkt oder indirekt mit. Dennoch gilt das Wahlrecht erst ab 18. Und wenn Corona eines ganz deutlich gezeigt hat, dann dass wir allenfalls als Schüler:innen, Auszubildende und Studierende sichtbar sind, die fit für's Arbeitsleben gemacht werden sollen, aber nicht als Menschen mit ganz unterschiedlichen psychosozialen Bedürfnissen. Man fühlt sich alleingelassen und ohne Handhabe. Im Jugendrat habe ich zumindest den Eindruck, auf lokaler Ebene dagegen angehen zu können und mich exklusiv für die Belange junger Leute einsetzen zu können. Nichts gegen den Generationendialog, aber ein so großes Maß an Teilhabe erlebe ich in kaum einem anderen Lebensbereich.

Wolfgang: In der Knappschaftskapelle Bodenmais bin ich, weil ich es zünftig mag und gerne Musik mache. Im Jugendrat bin ich, weil ich die jungen Leute Viechtachs vertreten möchte. Ihr Nöte und Wünsche sollen nachdrücklich gehört werden. Das ist nicht immer einfach, wenn wir Anträge in den Stadtrat einbringen, die unbequem sind oder bisweilen sogar Unzulänglichkeiten aufdecken. Ich weiß nicht warum, aber viel von dem, was junge Menschen möchten und brauchen, wird gern als „Zuckerl“ abgetan, das man sich im Anschluss an die „echten Themen“ leisten kann. Ich nehme mir vor, die Weichen richtig zu stellen, damit die nach mir gern hier leben.

Wie sehen eure Wünsche für die Zukunft des Jugendrates aus?

Anna: Also ich freue mich im Zuge der anstehenden Lockerungen schon wieder auf offene und persönliche Kooperationen. Genau davon leben unsere Projekte eigentlich: Dass jeder mitmachen kann. Wir sind kein exklusives Gremium und wollen gern alle jungen Leute mit im Boot haben. Ich wünsche mir außerdem mehr Mittelschüler:innen und Förderschüler:innen im Jugendrat – gerne auch mit Ideen und Meinungen, die sich nicht mit dem aktuellen Konsens decken. Schreibt uns einfach auf Instagram!

Wolfgang: Genau. Nur so entsteht auch politisch Druck – indem noch viel mehr Jugendliche als bisher partizipieren und ihre Stimmen erheben. So lässt sich das Ruder dann auch vielleicht allmählich rumreißen...

Teresa: Woife, da muss ich jetzt ein bisschen dämpfen. Demografisch gesehen sind wir im ländlichen Raum echt unterrepräsentiert. Dementsprechend werden auch alle politischen Entscheidungen von anderen Altersgruppen getroffen. Nun ist es natürlich weltfremd, sich einfach mehr junge Menschen in den Bayerischen Wald zu wünschen. Ein Anfang wäre aber sicher schon einmal getan, wenn wir noch mehr für die Arbeit des Jugendrates begeistern könnten.

Das Regionalmanagement-Projekt „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“ wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.